Luxembourg Institute for European and International Studies
Institut d'Etudes Européennes et Internationales du Luxembourg

Vortrag von Prof. Dr. Ulrich Brand

Globalisierung, imperiale Lebensweise und Horizonte eines guten Lebens – Zur Kritik der grünen Ökonomie

23. Januar 2012 um 18.15 Uhr im Casino Syndical in Luxemburg

 

Wie kann der Übergang zu einer wirklichen grünen Ökonomie, zu einem solidarischen und demokratischen Zusammenleben gestaltet werden? Was steht einer solchen Entwicklung entgegen? Diesen Fragen widmete sich Ulrich Brand, Professor für Internationale Politik an der Universität Wien, am Montag im Casino Syndical vor 60 Zuhörern.

Ulrich Brand
Ulrich Brand

Ulrich Brand vertrat die These, dass sowohl Globalisierung als auch das, was er als imperiale Lebensweise bezeichnet, einer echten grünen Ökonomie im Wege stünden. Dabei sei die neoliberale Globalisierung „kein zwangsläufiger, sondern ein umkämpfter Prozess“, in dessen Zentrum die politisch durchgesetzte Schwächung der abhängig Beschäftigten und ihrer Interessenvertreter stünden. Dadurch hätten sich die Kräfteverhältnisse hin zum weltmarktorientieren Kapital und insbesondere zum Finanzkapital verschoben. Zwar spürten die Menschen den innergesellschaftlichen und internationalen Konkurrenzdruck, der aus der Globalisierung resultiere, gleichzeitig werde jedoch immer mehr Menschen bewusst, dass ihre Lebensweise auf Klimabelastung, übermäßigem Ressourcenverbrauch und billiger Arbeitskraft in anderen Weltregionen beruhe. Dies bezeichnet Ulrich Brand als „imperiale Lebensweise“. Mit den aufsteigenden Mittelschichten in den Schwellenländern verallgemeinere sich zur Zeit dieses Produktions- und Konsumptionsmodell, das jedoch „aus einer ökologischen Perspektive nicht verallgemeinerbar ist.“ Die zurzeit prominenteste Strategie, die die Bearbeitung der Finanz- und der Umweltkrise kombiniert und den Weg in eine umweltverträgliche Wirtschaftsweise ebnen soll, ist die green economy, also die Idee, Märkte mit Hilfe von Technologie und Effizienzgewinnen grüner zu machen. Ulrich Brand zeigte sich jedoch skeptisch, ob sich das kapitalistische Modell mit Hilfe einer vage definierten green economy langfristig umbauen lasse.


Daher plädierte Ulrich Brand für eine aus seiner Sicht kulturelle Revolution, „die gegen Konsumismus und Konkurrenzdenken aufbegehrt.“ Staatliche Gesetze und Fördermaßnahmen seien weiterhin wichtig. Zentral seien jedoch gesellschaftliche Lernprozesse und Kritik, die Konsumkultur und „Geiz ist geil“-Mentalität zu einer unmoralischen Sache machten.Daneben müsse allerdings auch der Kampf für ein „anderes, attraktives Lebensgefühl“ und „eine progressive Lebensweise“ stehen. Ein wichtiger Schritt auf diesem Weg sei „eine radikale Arbeitszeitverkürzung und, damit verbunden, eine gerechtere Verteilung der ja immer noch steigenden Produktivität und des wachsenden Wohlstands.“ Dabei spielten nicht nur soziale Bewegungen eine wichtige Rolle, sondern vor allem auch Gewerkschaften, die die ihnen in der neoliberalen Globalisierung aufgedrängte Rolle der Besitzstandswahrer verlassen und wieder die Frage demokratischer Teilhabe stellen müssten.


Für den solidar-ökologischen Umbau der Gesellschaft kann man laut Ulrich Brand viel von den Erfahrungen sozialer Bewegungen und progressiver Regime in Lateinamerika lernen. So sei beispielsweise in den neuen Verfassungen Ecuadors und Boliviens das Staatsziel des guten Lebens verankert. Westliche Debatten um die grüne Ökonomie blieben jedoch den Paradigmen von Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit verhaftet, welche die Entwicklung alternativer Verständnisse von Wohlstand und Lebensqualität erschwerten. Genau darauf komme es jedoch an. Durch einen sozial-ökologischen Umbau und ein Zurückdrängen der Warenförmigkeit der Gesellschaft könnten Perspektiven für ein gutes Leben jenseits von Markt und Wachstum eröffnet werden.

Der Vortrag von Ulrich Brand als mp3 zum Nachhören:

 

Interview mit Ulrich Brand in der woxx

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